Ab dem 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gemeinsam mit der Verordnung über Barrierefreiheitsanforderungen (BFSGV) vollständig in Kraft.
Was bislang oft als freiwillige Maßnahme galt, wird dann für viele Unternehmen zur verbindlichen Pflicht:
digitale Produkte und Dienstleistungen müssen barrierefrei gestaltet sein – und zwar so, dass sie von Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis, eigenständig und in allgemein üblicher Weise nutzbar sind.
Für wen gilt das BFSG?
Das BFSG betrifft Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen an Endverbraucher richten. Also an Privatpersonen im Sinne des § 13 BGB. Wer ausschließlich im B2B-Geschäft tätig ist, bleibt von der Regelung unberührt.
Kleine Betriebe können aufatmen. Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme unter 2 Mio. Euro sind laut § 3 Abs. 3 BFSG von der Pflicht ausgenommen. Dennoch kann auch für Kleinstunternehmen Barrierefreiheit ein Wettbewerbsvorteil sein. Nicht zuletzt mit Blick auf Kundenbindung und Inklusion.
Welche Produkte und Dienstleistungen müssen barrierefrei sein?
Das Gesetz definiert eine Reihe von konkreten Produkten und digitalen Services, für die Barrierefreiheit verbindlich wird. Hier eine Übersicht:
- Computerhardware mit Benutzeroberflächen
- Selbstbedienungsterminals, z. B. Fahrkarten- oder Geldautomaten
- Verbraucherendgeräte für Telekommunikation & audiovisuelle Medien
- E-Book-Reader und E-Book-Dienste
- Websites mit Buchungs-, Bezahl- oder Vertragsfunktionen
- Online-Shops und digitale E-Commerce-Dienstleistungen
- Personenbeförderungsdienste, inkl. Webseiten und Apps
- Bank- und Telekommunikationsdienstleistungen
- Datenschutzerklärungen auf Websites mit kostenpflichtigen Angeboten
So setzen Unternehmen Barrierefreiheit in der Praxis um?
Online-Shop (z. B. Mode, Software, Schulungen)
- Alle Bilder mit aussagekräftigem Alternativtext versehen
- Klare Struktur durch Überschriften und Listen
- Tastaturbedienung muss vollständig möglich sein
- Anpassbare Schriftgrößen und Kontraste
- Screenreader-Kompatibilität gewährleisten
Dienstleistungs-Website mit Terminbuchung (z. B. Friseur, Hotel, Coaching)
- Barrierefreie Formulare und Buttons mit eindeutigen Beschriftungen
- Terminübersichten auch in Tabellenform anzeigen
- Navigation über Tastatur und Screenreader ermöglichen
E-Book-Anbieter
- EPUB-Format mit Sprachausgabe-Unterstützung
- Navigierbare Inhaltsverzeichnisse
- Textdarstellung mit variabler Größe und Kontrastoptionen
Selbstbedienungsterminals (z. B. Fahrkarten- oder Geldautomaten)
- Sprachausgabe und Kopfhöreranschluss
- Tasten mit taktilen Markierungen
- Verlängerte Eingabezeiten einstellbar
- Informationen über mehr als einen sensorischen Kanal (z. B. visuell & akustisch)
Datenschutzerklärung auf kostenpflichtiger Website
- Bereitstellung im HTML-Format statt PDF
- Gut lesbare Schriftarten, klare Gliederung
- Optionale Version in leichter Sprache
Was passiert bei Verstößen?
Die Nichteinhaltung der Barrierefreiheitsvorgaben kann für Unternehmen rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben. Von Abmahnungen bis hin zu Bußgeldern. Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden haben das Recht, Produkte und Dienstleistungen zu prüfen und Verstöße zu sanktionieren.
Jetzt handeln – Barrierefreiheit rechtzeitig umsetzen
Barrierefreiheit ist kein "Nice-to-have" mehr, sondern ab dem 28. Juni 2025 eine gesetzlich verpflichtende Anforderung für viele digitale Angebote. Wer frühzeitig handelt, hat nicht nur Rechtssicherheit, sondern profitiert auch von einer erweiterten Zielgruppe, höherer Nutzerfreundlichkeit und einem positiven Image als inklusives Unternehmen.
Checkliste für den Einstieg:
- Prüfen, ob das eigene Angebot unter das BFSG fällt.
- Ist das Unternehmen ein Kleinstbetrieb? Falls nicht: Handlungsbedarf.
- Bestehende digitale Produkte und Dienste analysieren.
- Maßnahmen zur Barrierefreiheit einleiten ggf. mit externer Unterstützung.
- Technische, visuelle und inhaltliche Anforderungen umsetzen.
- Dokumentation und Nachweisbarkeit sicherstellen.